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Moderner Konservatismus à la AKK

Leonberger Kreiszeitung v. 27.01.2020 Annegret Kramp-Karrenbauer erfüllt die üblichen Erwartungen: Beim CDU-Neujahrsempfang spielen sich die Parteichefin und der Unternehmer Ernst-Martin Schaible bei den Reizthemen Bürokratie und Mittelstand die Bälle zu. Thomas K. Slotwinski
v.l.nach r.: Inger Torill Narvesen, Adrian Laugsch, Ernst-Martin Schaible, Annegret Kramp-Karrenbauer, Oliver Zander

In vielen Punkten ticken Annegret Kramp-Karrenbauer und Ernst-Martin Schaible ähnlich. Besonders die Lage des Mittelstandes im Allgemeinen und die des Handwerks im Besonderen beurteilen die CDU-Bundeschefin und der Leonberger Unternehmer fast identisch.
Beide sind Redner beim Neujahrsempfang, den die CDU Leonberg und die MIT, der Landesverband der Mittelstandsvereinigung der Partei, gemeinsam veranstalten. Ein wirtschaftspolitischer Neujahrsempfang, wie Oliver Zander, der Vorsitzende beider Verbände, betont. Genau deshalb hat er neben dem Stargast AKK auch den heimischen Firmenlenker eingeladen, Schaible soll der Parteichefin aus dem fernen Berlin sagen, wo den mittelständischen Betrieben der Schuh drückt.
Der Gründer des Einkaufsverbundes „Der Kreis“ ist schon von seinem Werdegang her prädestiniert, die Belange seiner Zunft zu vertreten. Er benutzt diesen Begriff übrigens ganz bewusst, um an die ersten Zusammenschlüssen von Handwerkern vor knapp 1000 Jahren zu erinnern.
Schaible, der bald 73 wird, hat im elterlichen Tischlerbetrieb im Schwarzwald angefangen und kam über die Firma Alno erstmals mit Küchen in Kontakt. „Da gab es ganz viele kreative Küchenstudios, die aber keiner ernst genommen hat“, berichtet er den Gästen in der Stadthalle. Entsprechend hatten sie keine Marktmacht und mussten überhöhte Preise bezahlen.
Schaible gründete die Einkaufskooperation „Der Kreis“, um, wie er sagt, „faire Bedingungen zu ermöglichen“. Heute agiert „Der Kreis“ erfolgreich in vielen europäischen Ländern, der Stammsitz ist mitten im Gewerbegebiet Hertich.
Die Probleme liegen für den rührigen Unternehmer auf der Hand: Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie und zu wenig Handwerker. Alles Bälle, die Annegret Kramp-Karrenbauer gerne aufgreift: „Man hat das Gefühl, dass in Deutschland der Mensch erst mit dem Abitur beginnt“, sagt die mit fünf Geschwistern im saarländischen Püttlingen aufgewachsene 57-Jährige. „Das war und ist falsch.“
Sie lobt Schaibles Weg, Kleine zusammenzuführen, um gemeinsam stark zu sein und stellt eine Entbürokratisierung in einer neuen politischen Konstellation in Aussicht. Die Bonpflicht selbst für Kleinstbeträge im Einzelhandel soll im Koalitionsausschuss überprüft werden.
„In manchen Ländern reicht es, wenn 90 Prozent der bürokratischen Vorgaben erfüllt werden“, blickt AKK, die neben der französischen Grenze aufgewachsen ist, zu den europäischen Nachbarn. „Bei uns müssen es immer 110 Prozent sein, selbst wenn 80 Prozent akzeptabel wären.“
Wie sehr die Bürokratie selbst die Bundeswehr durchdringt, erlebte die Verteidigungsministerin bei einem Truppenbesuch in Mali: „Mir hat ein Soldat gesagt, er ist zum Bund gegangen, um der Bürokratie zu entfliehen. Und was findet er in der afrikanischen Wüste vor? Einen Umweltbeauftragten für Mülltrennung!“
Die Leute lachen. Ansonsten bleibt die prominente Rednerin gewohnt sachlich und bedient das vornehmlich parteifreundliche Publikum mit modernem Konservatismus à la AKK: „Der Erhalt der Schöpfung als Geschenk Gottes ist tief in unserer DNA verwurzelt“, sagt sie zum Kampf gegen den Klimawandel. „Das ist keine Erfindung der Grünen.“ Lösungen gebe es aber nicht „mit Katastrophenszenarien, sondern mit Verstand. Wenn wir ein heruntergewirtschaftetes Land sind, können wir die Zukunft nicht bewältigen“.
Die CDU-Chefin bekennt sich zu Fachkräften aus dem Ausland, aber: „Es ist gerechtfertigt, dass jeder Staat seine eigenen Interessen hat und die Zuwanderung steuert.“ Hier ist der Applaus besonders laut, genau wie bei ihrer Forderung nach Steuersenkungen und der vollständigen Abschaffung des Solidaritätsbeitrages.
„Gehen Sie nicht selbstzufrieden und blauäugig – aber auch nicht in Katastrophenstimmung – ins neue Jahrzehnt“, wünscht die CDU-Parteichefin den Leonberger Bürgern. So drückt es wohl nur AKK aus.

 

Unprätentiös und unaufgeregt
Promialarm In der Stadthalle gilt Sicherheitsstufe 1.   Doch AKK gibt sich locker und volksnah. Thomas K. Slotwinski

Oliver Zander ist sichtlich nervös, als die Menschen nach 18.15 Uhr in die Stadthalle strömen. „Wenn das so weitergeht, können wir irgendwann keinen mehr reinlassen“, prophezeit der Chef der Leonberger CDU. Und hat damit nicht Unrecht: Um halb sieben ist das Foyer der Stadthalle proppevoll.
In den Saal können die Gäste noch nicht. Da sind die Sicherheitskräfte zugange, die schon am Nachmittag die Stadthalle mit Spürhunden nach Sprengstoff abgesucht hatten. Wenn die Verteidigungsministerin kommt, herrscht höchste Sicherheitsstufe, gleichauf mit dem Bundespräsidenten oder der Kanzlerin.
Nur der Haupteingang ist geöffnet. Dort haben sich zumeist jüngere Parteimitglieder als eine Art Sicherheitsdienst postiert, der in der Außenwirkung aber sehr viel freundlicher daherkommt, als würden schwergewichtige Security-Männer die Pforten sichern. Auch die angekündigten Taschenkontrollen halten sich in überschaubaren Grenzen.
Auf dem Vorplatz stehen die Leonberger Polizei-Einsatzleiterin, Oberkommissarin Keck, und ihre Frauen und Männer postiert. Um viertel vor sieben fährt der Wagentross der Ministerin vor. Annegret Kramp-Karrenbauer, dezent begleitet von Leibwächtern mit Knöpfen im Ohr, wird von Oliver Zander, dem Bundestagsabgeordneten Marc Biadacz und der Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz begrüßt.
Die Parteichefin und mögliche Kanzlerkandidatin gibt sich gewohnt unprätentiös. Umringt vom lokalen Begrüßungskomitee geht sie ins Foyer, aus dem sich die meisten in Richtung Saal verabschiedet haben. Geduldig lässt sie sich fotografieren und schreibt Autogramme.
Oliver Zander nennt den Kontakt zu AKK eine „On-Off-Beziehung“. Vor zwei Jahren hatte er die damalige Generalsekretärin eingeladen, nach ihrer Wahl zur Parteichefin aber nichts mehr von ihr gehört. Doch er ließ nicht locker.
„Ich bin froh, dass wir unsere Beziehung auf On gestellt haben“, erwidert sie und lässt erkennen, dass sie sich in der familiären Leonberger Atmosphäre wohl fühlt. Doch nach gut zwei Stunden ist sie weg – so unauffällig wie sie gekommen ist.

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mit freundlicher Genehmigung der   Leonberger Kreiszeitung

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